«Das alte Wissen gilt oft nicht mehr»

Im Interview erklärt Prof. Marc Walter, Chefarzt und stv. Direktor der UPK Klinik für Erwachsene und UPK Privatklinik, wie sich der Stellenwert der Psychotherapie in der Psychiatrie verändert hat.

Wie finden Patientinnen und Patienten an den UPK Basel zur passenden Therapie?

Die Patientenaufnahme und der Notfall weisen die Patientinnen und Patienten der passenden Abteilung zu, falls ein stationärer Aufenthalt notwendig ist, oder vermitteln ihnen eine ambulante Behandlung, wenn erforderlich. Die Abteilungen der UPK sind auf verschiedene psychische Erkrankungen spezialisiert und haben entsprechende Behandlungskonzepte.

Zu welchem Zeitpunkt wird dies entschieden?

Das entscheidet sich im ersten Gespräch. Manche Patientinnen und Patienten suchen selbständig Hilfe bei den UPK Basel, ein grosser Teil kommt mit einer Diagnose. Wichtiger als die Diagnose ist im Erstgespräch die akute Situation, die eine Person zu uns führt, die Beschwerden und Symptome, also zum Beispiel ob jemand ängstlich oder depressiv ist oder unter einer Abhängigkeit leidet. Wenn es darum geht, die richtige psychotherapeutische Behandlung zu finden, sind oft mehrere Gespräche nötig, um die komplexen Situationen zu erfassen. Federführend ist dann das Zentrum für Psychosomatik und Psychotherapie. Längerfristig werden auch alle Diagnosen überprüft.

Wie wichtig ist die Psychotherapie in der psychiatrischen Behandlung an den UPK?

Sehr wichtig, das hat sich sehr verändert. Bei manchen psychiatrischen Krankheitsbildern steht die Psychotherapie heute als Behandlung im Vordergrund, noch vor der Pharmakotherapie, zum Beispiel bei Ess-, Persönlichkeits-, Angst-, Zwangs- und Schmerzstörungen. Da werden Medikamente eher begleitend eingesetzt.

Warum ist der Stellenwert der Psychotherapie in den Psychiatrien gestiegen?

Es werden immer mehr Studien publiziert, die die Wirksamkeit der Psychotherapie wissenschaftlich belegen. Ein bekanntes Beispiel ist der wissenschaftliche Nachweis, dass bei mittelgradiger Depression die Psychotherapie gleich wirksam ist wie Psychopharmaka. Diese Erkenntnis hat gerade in der Wahrnehmung der Ärzte etwas verändert. Es machte deutlich, dass bei der grössten Gruppe an Patientinnen und Patienten die Psychotherapie sinnvoll ist. Ein weiterer Aspekt ist, dass sich die Psychotherapien insgesamt weiterentwickelt haben. Ich habe beispielsweise im Studium noch gelernt, die Borderline-Persönlichkeitsstörung sei nicht behandelbar. Mittlerweile ist aber bekannt, dass diese Problematik durch eine störungsspezifische Psychotherapie sogar mit gutem Erfolg zu behandeln ist. Gerade in den letzten Jahren etablierten sich viele neue Psychotherapien, die wissenschaftlich belegt sehr gute Erfolge erzielen.

Welche sind das zum Beispiel?

Für die Borderline-Persönlichkeitsstörung zum Beispiel die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) oder die Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT). Für Angst- und Zwangsstörungen hat sich die Akzeptanz-Commitment-Therapie (ACT) als besonders erfolgreich erwiesen. Bei ACT geht es darum, die eigenen Gedanken nicht zu vermeiden, sondern zuzulassen, sich selbst zu akzeptieren, und mithilfe von eigenen Werten und Zielen die Grundlage für eine Veränderung zu schaffen.

Steht der Wandel auch in einem Zusammenhang mit der veränderten gesellschaftlichen Realität, dass Patientinnen und Patienten über die Behandlung mitbestimmen?

Das hat einen grossen Einfluss, nicht nur in der Psychiatrie, sondern in allen medizinischen Bereichen. Das Individuum steht stärker im Vordergrund und die Autonomie wird ernstgenommen. Es ist nicht mehr der Arzt, der über die richtige Therapie entscheidet. Und es stehen wie erwähnt mehr Therapien zur Verfügung. Das alte Wissen gilt oft nicht mehr.

Wie meinen Sie das?

Die neuen Erkenntnisse haben die Psychiatrie verändert. Dafür gibt es viele Beispiele. Früher wurde zum Beispiel noch gelehrt, Alkoholsüchtige sollten mit schlechten Leberwerten und dem drohenden Tod konfrontiert werden. Doch Angst machen hatte sehr wenig Erfolg, weil die Abhängigen oft die Therapie abbrachen. Heute ist die goldene Regel in der Behandlung die motivierende Gesprächsführung, den Patientinnen und Patienten wertfrei und auf Augenhöhe zu begegnen. Nur so ist es überhaupt möglich, eine Beziehung aufzubauen. Und die Beziehung ist die Grundlage für eine erfolgreiche Therapie, gerade bei Menschen mit Suchtproblemen. Der Beziehungsaufbau fängt häufig schon mit der Frage an «Wie geht es Ihnen»?

Ich kann nach der Konvention mit «gut» antworten oder ehrlich?

Das ist Ihnen genauso überlassen wie einer Patientin oder einem Patienten. Die Frage ist im therapeutischen Setting ein Angebot, eine Einladung, Gehör zu finden. Oft braucht es Zeit, bis sich eine Person öffnet. Wichtig ist letztlich, dass auch der Therapeut oder die Therapeutin authentisch bleibt. Das schafft Vertrauen und führt später zu einem guten Therapieerfolg. 

Die UPK Basel bieten eine grosse Vielfalt an psychotherapeutischen Verfahren an. Eine Übersicht finden Sie auf unserer Webseite.

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