Arbeiten mit «Salvi»

Ariane Jeanneret über Entwicklungspotenzial, Generationengap und Prävention.

Vor einiger Zeit habe ich eine Nosferatu-Spinne gefunden – und nicht wie vielleicht erwartet eingefangen und woanders im Freien wieder ausgesetzt, sondern in ein Konfi-Glas verpackt und in mein Büro auf die Verhaltenstherapie Ambulanz (VTA) mitgenommen. Dort bekam die Spinne ein neues Zuhause in einem unserer Terrarien und war bereit für ihren besonderen Einsatz.

Denn: Auf der VTA behandeln wir unter anderem spezifische Phobien, darunter die Spinnenphobie, auch Arachnophobie genannt. Und so wurde die Spinne, die ich Salvatore oder kurz «Salvi» getauft habe, Teil unseres Expositionstherapie-Teams. Die Expositionstherapie ist eine Methode, bei der sich Patientinnen und Patienten gezielt und in enger therapeutischer Betreuung ihrer Angst stellen. Diese Konfrontation bedeutet weit mehr als nur das Verlassen der eigenen Komfortzone: Es ist eine direkte Begegnung mit der Angst, oft begleitet von körperlichen Symptomen. Gleichzeitig sind es kritische Momente des persönlichen Wachstums, in denen sich die Patientinnen und Patienten ihren eigenen Werten und Zielen annähern – oft gefolgt von Gefühlen der Erleichterung, Freude und Stolz.

Alle haben das Potenzial
Gerade diese Momente berühren mich tief. Besonders wegen des Vertrauens, das mir mein Gegenüber in einer solchen Situation entgegenbringt­, indem es mir diesen verletzlichen Teil seiner selbst anvertraut. Ich glaube, dass es für den Aufbau einer solchen Vertrauensbasis eine grosse Portion Mitgefühl braucht – ebenso wie die ehrliche Überzeugung, dass positive Veränderungen möglich sind. Seit ich mich mit psychiatrischen Themen beschäftige, bin ich vom Entwicklungspotenzial jedes einzelnen Menschen überzeugt. Dieser Gedanke hat mich stets angetrieben, Menschen in ihrem persönlichen Wachstum zu unterstützen und ihnen einen sicheren Rahmen zu bieten, in dem sie sich ihrer eigenen Verletzlichkeit stellen können.

Generationengap
Sowohl im klinischen Alltag als auch in meinem persönlichen Umfeld ist mir aufgefallen, dass die Bereitschaft zur Anerkennung der eigenen Verletzlichkeit stark generationsabhängig sein kann. Ich erlebe oft, dass Menschen aus der Generation meiner Eltern einen sehr schwierigen, teils «verkorksten» Umgang mit Gefühlen haben – ganz zu schweigen von psychischen Erkrankungen. Stigmatisierung und fehlende Aufklärung sind hier spürbar, oft verbunden mit Schuld und Scham. Diese Beobachtung hat mich motiviert, jungen Menschen eine andere Haltung mitzugeben, dass ihre Gefühle normal und in Ordnung sind. Ich wünsche mir, dass offene Kommunikation und Akzeptanz das klischeebehaftete Bild psychischer Erkrankungen ablösen – weg von Assoziationen wie der «hysterischen Frau» oder der «Irrenanstalt» hin zu einem Verständnis, das psychische Gesundheit als genauso wichtig anerkennt wie körperliche Gesundheit.

Hoffnung Zukunft?
Neben meiner Tätigkeit in den UPK habe ich bis vor kurzem auch beim Blauen Kreuz (Multikulturelle Suchtberatungsstelle MUSUB Basel) in der Suchtprävention für Kinder und Jugendliche gearbeitet. Gerade das Thema Sucht ist speziell von Stigmatisierung betroffen. Durch die Aufklärung in den Präventionsworkshops hatte ich die Möglichkeit, dem entgegenzuwirken und jungen Menschen ein bewussteres Verständnis für die Thematik zu vermitteln. Diesen Frühling hatte ich die Möglichkeit, bei einem Besuch in einem Basler Gymnasium über Verhaltenstherapie zu sprechen und den Schülerinnen und Schülern unsere Arbeit an der VTA näherzubringen. Ich sehe in der jungen Generation viel Hoffnung für einen offenen Umgang mit mentaler Gesundheit und hoffe, dass Menschen jeglichen Alters und Hintergrunds zukünftig davon profitieren können.

Ariane Jeanneret arbeitet als Assistenzpsychologin in der Verhaltenstherapie Ambulanz (VTA) an den UPK Basel. Sie absolvierte an der Universität Basel den Master «Klinische Psychologie und Neurowissenschaften». Bis vor Kurzem war sie ausserdem in der Suchtprävention beim Blauen Kreuz beider Basel tätig.

Notfallkontakt

Erwachsene:

Zentrale Aufnahme und Notfall Psychiatrie (24h täglich)
Universitäre Psychiatrische Kliniken (UPK) Basel
Wilhelm Klein-Str. 27, Basel
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Tel. +41 61 325 51 00

Walk-In Ambulanz
Kornhausgasse 7, Basel
Montag bis Freitag,
8 – 16 Uhr
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Privatpatienten

Wilhelm Klein-Strasse 27, Basel
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Bei Notfällen ausserhalb der Öffnungszeiten:
Patientenaufnahme und Notfallpsychiatrie
+41 61 325 51 00

Kinder und Jugendliche:

Poliklinik
Kornhausgasse 7, Basel
Montag bis Freitag,
8 – 12 Uhr und 13 – 17 Uhr
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Bei Notfällen ausserhalb der Öffnungszeiten (24h täglich):
Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB)
Spitalstrasse 33, Basel
Standort
Tel. +41 61 704 12 12