Ich blicke auf den Ozean. Der Rhythmus der Wogen begleitet mich entlang des bretonischen Zöllnerwegs. Das Wandern durch die Weite schafft Raum. Raum, der zu Rückblick und Gedanken über die Zukunft einlädt.
Ich schaue auf die acht vergangenen Jahre, die ich in den UPK verbracht habe, und empfinde dabei Freude und Zufriedenheit. Würde ich diese Zeit in einem Wort zusammenfassen wollen, wählte ich «Vielfalt»: Vielfalt meiner Aufgaben als Klinikleitungsassistentin der UPKKJ, Vielfalt meiner Tätigkeiten als Mitglied der Personalkommission, Vielfalt meiner Funktionen und Weiterbildungen, die ich besuchen durfte, und Vielfalt der Begegnungen. Kurz: Vielfalt der beruflichen und ganz besonders der persönlichen Bereicherungen.
Gleich zu Beginn meiner Anstellung in den UPK beeindruckte mich der kollegiale und wohlwollende Umgang unter den Mitarbeitenden: Ein respektvoller und freundlicher Umgang, der dem Alltag in unserer schnelllebigen und komplexen Welt etwas Leichtigkeit verleiht, sei es den Mitarbeitenden aus den diversen Abteilungen, sei es den Patientinnen und Patienten, Jung und Alt. Ein Umgang, den es zu wahren und zu pflegen gilt, trotz Widrigkeiten.
Aber ich verlier mich grad in Gedanken. Vielleicht hat das mit meiner Doktorarbeit zu tun, die ich vor langer Zeit dem Siezen und Duzen im Lateinischen und all den Sprachen, die sich davon ableiten lassen, gewidmet hatte. Im Mittelpunkt meines Interesses standen damals nicht die Umgangsformen als Ausdruck von Freundlichkeit und Höflichkeit, sondern deren Nutzung und Auswirkungen in der sozialen Struktur und der individuellen sozialen Stellung. Nun wird neuerdings gemunkelt, in den UPK könne ab nächstem Jahr die Du-Kultur eingeführt werden. Und da soll mir niemand kommen und behaupten, das Duzen hier, bei uns, sei wie im Englischen. Ist es nämlich nicht. Lassen wir uns doch überraschen!
Zusammen eine Strecke gehen
Und schon lasse mich von den Umgangsformen in die Zukunft der UPK führen, auf die ich einen zuversichtlichen, wenn auch etwas besorgten Blick werfe. Meine Sorgen leiten sich von der finanziellen Not ab, die im Gesundheitswesen eine schwer lastende Vorrangstellung eingenommen hat und die Qualität unser aller Hauptaufgabe gefährdet. Meine Zuversicht hingegen wächst aus den Gesprächen mit unseren therapeutischen und dienstleistenden Kolleginnen und Kollegen. Nebst Unzufriedenheiten beobachte ich ansteckendes Engagement, so viel Offenheit für neue Angebote und Bereitschaft zur Zusammenarbeit, so viel inspirierende Reflexion und wertvolle Neugierde, die mich vor allem bei unseren Jüngsten derart berührt.
Alltägliche Austausche zu interkulturellen Themen, die mich als dreisprachig aufgewachsenes Kind immer beschäftigt haben, bewogen mich dazu, UPK-interne Workshops zur «Interkulturalität» anzubieten. Die darin entstandenen lebhaften Gespräche und das dafür geweckte Interesse bestärken die Wichtigkeit einer kultursensitiven Psychiatrie. Ich denke dabei an die Kinder und Jugendlichen, die bei uns Stabilität, Sicherheit und vielleicht auch Auftrieb suchen: Deren Identität wird oftmals durch eine Vielfalt sprachlicher und kultureller Aspekte geformt und geprägt, die an ein buntes Kaleidoskop erinnern. Sich darin zurecht zu finden, ist eine Herausforderung für die Betroffenen und auch für die Therapeutinnen und Therapeuten – und ein Gewinn für alle.
Auch unsere Tiere, die uns auf dem UPK-Campus oft über den Weg laufen, sind eine wertvolle Begleitung; So wie Weitwanderungen entlang der rauen bretonischen Küste, vermögen auch sie, uns mit dem Wesentlichen zu verbinden und Halt zu geben. Meine langjährige Arbeit in einer Stiftung, die Blindenführhunde sowie Autismusbegleit- und Assistenzhunde ausbilden liess, hat mich immer aufs Neue daran erinnert und die berührenden, aussergewöhnlichen und teilweise unentdeckten Fähigkeiten der Tiere vor Augen geführt.
Nun werde ich melancholisch. Höchste Zeit, meine abschweifende Tour d’Horizon zu beenden, mich wieder auf meinen Weg zu konzentrieren und weiterzuziehen…
Béatrice Coffen
*Dr. Béatrice Coffen ist Klinikleitungsassistentin bei der Klinik für Kinder und Jugendliche (UPKKJ).