Wenn der Wecker x-mal klingelt…

Teenager sind am Morgen nicht wachzukriegen. Das hat einen Grund: Die innere Uhr tickt in der Pubertät anders. Schlafforscherin Carolin Reichert* im Gespräch.

Was raten Sie, Carolin Reichert, Eltern von Teenagern, wie Jugendliche morgens aus den Federn zu kriegen sind?
Carolin Reichert:
«Da gibt es wie so oft keine ‘one-size-fits-all’-Lösung. Man muss zunächst überlegen, was die Ursache sein könnte, dass ein Teenie morgens nicht aus dem Bett kommt. Neben Erkrankungen kann auch Schlafmangel ein Grund sein. Möglich auch, dass die innere Uhr aus dem Takt geraten ist oder wegen hormonellen Umstellungen ganz einfach anders tickt. Teenies stehen ja nicht häufig spät auf, weil sie einfach faul sind. Vielmehr gibt ihnen die innere Uhr einen anderen Rhythmus vor, der nicht gut zu den Schulzeiten passt.»

Am Abend sind Teenager nicht müde, am Morgen nicht wachzukriegen: Sollten sie nicht einfach mehr schlafen?
«Das ist leichter gesagt als getan. Morgens müssen die Jugendlichen ja oft recht früh in der Schule oder bei der Arbeit sein. Und abends kann man nicht einfach auf Knopfdruck schlafen, wenn einem die innere Uhr einen anderen Rhythmus vorgibt. Jugendliche können allerdings versuchen, den Lichteinfluss am Morgen zu verstärken – etwa mit einer Lichttherapie-Lampe oder einem Aufenthalt im Freien – und am Abend zu reduzieren. So können sie ihre innere Uhr etwas umstellen.»

Was können wir sonst noch tun, um besser einzuschlafen?
«Den Schlafdruck erhöhen, indem wir tagsüber keine Nickerchen machen und Koffein reduzieren – bei Jugendlichen ist allerdings oft schon ein hoher Schlafdruck vorhanden. Auch Entspannung, Dinge loslassen und weniger Stress können helfen. Das ist allerdings einfacher gesagt als getan. Aber spätestens eine bis zwei Stunden vor der Bettgehzeit sollten wir zur Ruhe kommen, unter Umständen auch den Medienkonsum sein lassen. Das gilt übrigens nicht nur für Jugendliche…»

Im Kleinkindalter ist es das Wiegenlied, im Teenageralter Melatonin in Form von Tabletten?
«
Ein Abendritual kann nicht nur in der Kindheit hilfreich sein, um in den Schlaf zu finden. Mit zunehmender Selbstständigkeit etablieren sich aber andere Rituale: Statt Wiegenlied sind es dann vielleicht ein Hörspiel, eine Viertelstunde lesen oder ein warmes Getränk. Melatonin zu nehmen ist natürlich kein Ritual und sollte nur dann eingesetzt werden, wenn es klinisch indiziert ist.»

Sie erforschen, wie sich zum Beispiel Licht oder der Konsum von Koffein auf unseren Schlaf auswirkt. Was können Sie dazu sagen?
«Unser Körper und Gehirn scheint sich mit der Zeit an die tägliche Zufuhr von Koffein zu gewöhnen, sodass der schlafstörende Effekt etwas nachlässt. Gleichzeitig bedeutet das aber auch, dass wir in einen Koffeinentzug rutschen können, wenn wir nicht ständig Koffein ‘nachlegen’. Wir sind dann im Entzug müder, als wenn wir gar nicht erst mit dem Konsum begonnen hätten.»

Und bei Teenagern?
«Koffein und zu wenig Schlaf wirken sich sehr wahrscheinlich auf das Belohnungssystem im Gehirn aus, vor allem bei Jugendlichen. Das ist noch kaum erforscht, könnte aber weitreichende Konsequenzen haben, da wir unser Verhalten sehr stark danach ausrichten, ob wir etwas als wohltuend erleben.»

Im Verlauf eines Lebens ändert sich auch die «chronobiologische Taktung». Was ist darunter zu verstehen?
«Die präferierten Schlafensgeh- und Aufstehzeiten verändern sich, aber auch die Tageszeit, an der wir uns gut konzentrieren können. Ähnliches können wir auch im Tierreich beobachten. Es gibt also eine tief verwurzelte biologische Komponente, vielleicht auch einen evolutionärbiologischen Sinn.»

Wir wirken sich Jahreszeiten auf den Schlaf aus?
«Gewisse Menschen  brauchen im Herbst und Winter mehr Schlaf als im Frühjahr und Sommer. In präindustrialisierten Gesellschaften scheint das stärker ausgeprägt zu sein. In unserer Gesellschaft erleben wir den jahreszeitlichen Wechsel nicht mehr ganz so stark am eigenen Leib. Aber es gibt auch hier Menschen, die stark auf den Wechsel der Jahreszeiten reagieren, mit gedrückter Stimmung etwa bis hin zur Depression im Herbst und Winter.»

Zurück zu den Teenagern. Was bedeutet das Ende der Pubertät in Bezug auf den Schlaf? Ab dann ist alles gut?
«(Lacht) Leider nicht. Zwischen 25 und 30 Jahren werden die Schlaffenster zwar allmählich wieder etwas gesellschaftstauglicher, dafür setzen wir uns anderen Umwelt- und Stressfaktoren aus, die den Schlaf stören oder auch die Entwicklung einer Schlafstörung begünstigen können.»

*Carolin Reichert ist Forscherin und stellvertretende Leiterin des Zentrums für Chronobiologie der UPK Basel. Zudem arbeitet sie als Assistenzpsychologin am Zentrum für Affektive, Stress- und Schlafstörungen.

Erfahren Sie mehr über die Arbeit von Carolin Reichert und ihr Team unter https://www.chronobiology.ch/de/

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