Die Zeichen erkennen und ansprechen

Zwei Pflegefachfrauen der UPK Basel zum heutigen «Welttag der Suizidprävention».

Wie sollen Mitarbeitende einer Psychiatrie mit Menschen umgehen, bei denen sie suizidale Absichten vermuten? Zu Ehren des heute stattfindenden «Welttags der Suizidprävention» schildern uns Carmela Putrino Trefiletti (links im Bild) und Christine Kleindienst ihre Sicht dazu. Carmela Putrino Trefiletti und Christine Kleindienst sind die pflegerischen Leiterinnen der Abteilungen Affektive Erkrankungen sowie Depression und Krisenintervention der UPK Basel.


Wie mit suizidalen Gedanken umgehen?
«Schicksalsschläge reissen uns manchmal den Boden unter den Füssen weg. In solchen Momenten ist es heilsam, mit einem vertrauten Menschen reden zu können, Gedanken auszusprechen, das Herz zu erleichtern und vielleicht einen neuen Blickwinkel zu finden. Für unsere Patientinnen und Patienten ist dieser Halt in suizidalen Krisen nicht nur wertvoll, sondern oft lebensrettend.

Als Fachpersonen übernehmen wir in solchen Situationen eine ganz besondere Verantwortung. Es gilt, eine tragfähige, belastbare Beziehung zur Patientin oder zum Patienten aufzubauen, in der sich diese als Mensch gesehen, gehört und verstanden fühlt. Weil sich Menschen mit suizidalen Gedanken häufig isolieren, braucht es von uns die Fähigkeit, Zeichen zu sehen und die Bereitschaft, den aktiven Teil in dieser Beziehung zu übernehmen und präsent, ehrlich und transparent zu sein. Und zu signalisieren: ‚Ich halte deine schweren Gedanken mit dir aus.‘

Das Fundament dieser Beziehung zur Patientin oder zum Patienten ist eine offene und wertschätzende Kommunikation. Es geht nicht darum, Suizidgedanken kleinzureden – sie brauchen Raum. Und genau in diesem Raum kann ein echtes Bündnis entstehen, Patientin und Therapeutin, Pflegefachperson oder Ärztin werden zu einem Team.

Ich als Pflegefachperson stehe mit meinen Kolleginnen und Kollegen an vorderster Front. Um diese herausfordernde Arbeit gut leisten zu können, brauche ich ein Team im Rücken – einen geschützten, professionellen Rahmen, in dem auch wir über unsere Gefühle sprechen dürfen. Denn Traurigkeit, Wut, Frustration oder Hoffnungslosigkeit gehen auch an uns nicht spurlos vorbei.

Gerade deshalb sind Nähe und Distanz in der pflegerisch-therapeutischen Beziehung zentrale Themen. Es ist leicht gesagt: ‚Ich habe eine gute Nähe-Distanz-Regulation‘ – doch was bedeutet das wirklich? Für mich heisst Nähe auch, dass ich einen Teil von mir selbst zeige, ein emotionales Einlassen ermögliche, ohne meine professionelle Rolle zu verlassen. Ehrlichkeit ist in der Beziehung zu einem Menschen mit suizidalen Gedanken essenziell.

Die Herausforderung liegt in der Regulation der vielen Gefühle, die das Thema Suizid mit sich bringt. Ich anerkenne die Emotionen des Patienten, ohne sie zu übernehmen. Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit, Wut, Frust und Verzweiflung darf ich spüren – aber ich halte innerlich Distanz. Nur so bleibe ich offen, klar, zugewandt und unterstütze die betroffene Person in unserer Beziehung – auf deren Weg in ein (hoffentlich) positiveres Lebensgefühl.»
Christine Kleindienst, Abteilungsleitung Pflege S2 (Depression und Krisenintervention), Zentrum für Affektive, Stress- und Schlafstörungen (ZASS).


«Ganz genau hinschauen»
«Als ich in der Ausbildung zur Pflegefachfrau war, stand für mich fest, dass ich später einmal in der Somatik arbeiten möchte. Das Fremdpraktikum an den UPK hat meine Sicht geändert. Denn ich machte die Erfahrung, dass wir Pflegefachpersonen in der Psychiatrie Menschen in grosser Not helfen. Wir bauen eine therapeutische Beziehung zu ihnen auf und arbeiten mit deren Umfeld zusammen, um für sie eine Veränderung zu bewirken. Wir unterstützen unsere Patientinnen und Patienten bei der Genesung, indem wir ihnen helfen, ihre Symptome zu erkennen, diese durch gemeinsam erarbeitete Interventionen zu bewältigen – und so ihre Lebensqualität zu verbessern. In einer Psychiatrie behandeln wir den Menschen ganzheitlich.

Zu den Symptomen verschiedener psychischer Erkrankungen gehört auch die Suizidalität. Deshalb ist es wichtig, dies als Pflegefachperson immer präsent zu haben – und mögliche Risikofaktoren in der Beziehungsarbeit zu den Patientinnen oder Patienten herauszufinden. Häufige Risikofaktoren sind Einsamkeit, Lebenskrisen oder auch länger anhaltende Stressphasen (etwa Beziehung, Familie, Beruf, Finanzen, Rente) oder der Verlust von wichtigen Bezugspersonen. Auch Menschen, die keinen Lebensinhalt mehr haben oder unheilbar krank sind.

Für sie sind wir oft die ersten Ansprechpersonen. Umso wichtiger ist es daher, über Suizidgedanken oder Suizidpläne offen mit ihnen zu sprechen, ohne Angst zu haben, dadurch Suizidgedanken auszulösen.

Der Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zwischen Pflegefachperson und Patientinnen oder Patienten, das aktive Zuhören und die Empathie gegenüber von Patienten sowie eine sorgfältige Einschätzung des Suizidrisikos mittels der «Nurses Global-Assessment-of-Suicide Risk-Skala» oder das «PRISM-S Assessment» sind wichtige pflegerische Interventionen zur Suizidprävention. Genauso wichtig und zu den weiteren Aufgaben einer Pflegefachperson gehört die Besprechung der Assessmentsergebnisse mit den Betroffenen. Dabei ist es von Bedeutung, eine wertschätzende und auch lobende Haltung für die Gesprächsbereitschaft zu vermitteln. Gemeinsam über Ursachen oder akuter Auslöser von Suizidgedanken, zu sprechen, aber auch über Motive, weiterleben zu wollen. Diese Gedanken schriftlich festzuhalten, gehört für mich ebenso dazu, wie auch eine enge interprofessionelle Zusammenarbeit.

Und um auf die mögliche Frage zu antworten, warum Prävention bei Suizidalität so wichtig ist: Es ist für mich klar, dass eine frühzeitige Erkennung und Behandlung von Suizidalität Menschen in Krisensituationen unterstützt. Prävention kann Leben retten. Schauen wir also hin!»
Carmela Putrino Trefiletti, Abteilungsleitung Pflege P2 (Affektive Erkrankungen), ZASS.

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