Psychosen, Forschung und Jazz

Am 2. Mai 2022 hat Prof. Philipp Sterzer seine Arbeit als Professor für Translationale Psychiatrie an den UPK Basel und an der Universität Basel aufgenommen.

Er leitet das Zentrum für Diagnostik und Krisenintervention und wird die diagnostische Früherkennung und –intervention stärken.

Im Interview erfahren Sie mehr zum neuen Professor für Translationale Psychiatrie.

Prof. Philipp Sterzer, Sie sind Praktiker und Wissenschaftler. Welcher Einblick ins menschliche Hirn hat Sie in Ihrer Forschung bisher am meisten überrascht?
Die Fehler, die das Gehirn bei der Konstruktion unserer Wirklichkeit macht, überraschen mich immer wieder und das nicht nur bei psychischen Erkrankungen. Das geht bei ganz grundlegenden Wahrnehmungsvorgängen los – optische Täuschungen sind ein gutes Beispiel dafür, trifft aber auch auf unser Denken und unsere Überzeugungen zu. Faszinierend finde ich, dass diese «Fehler» meist weniger Folge einer Fehlfunktion sind, sondern vielmehr Ausdruck der grundlegenden Funktionsweise unseres Gehirns. Das Bild der Welt, das unser Gehirn liefert, ist nämlich immer nur eine Art bestmögliche Einschätzung, für die Vorerfahrungen, Kontextinformationen, aber auch aktuelle Bedürfnisse herangezogen werden; und die immer wieder durch neue Erfahrungen korrigiert wird.

Sie sind der erste Professor für Translationale Psychiatrie an den UPK Basel und an der Universität Basel. Was ist translationale Psychiatrie?
Translationale Forschung ist ein Forschungsansatz, der Ergebnisse der Grundlagenforschung in die klinische Praxis überträgt und für die Patientinnen und Patienten nutzbar macht. Nach meinem Verständnis sollte translationale Psychiatrie aber breiter definiert werden. In der Psychiatrie haben wir es mit äusserst komplexen Prozessen in der Entstehung von Erkrankungen zu tun. Gerade hier sollte translationale Forschung unbedingt auch das grundlegende Verständnis von Krankheitsprozessen im Blick haben, auch wenn eine klinische Anwendung der Erkenntnisse vielleicht erst im übernächsten Schritt möglich wird.

Einer Ihrer Forschungsschwerpunkte ist die computergestützte Modellierung bei Psychosen. Was kann man sich darunter vorstellen?
Mit den computergestützten Methoden wird versucht, die Vorgänge im Gehirn zu erfassen, die unserem Erleben zugrunde liegen – um Veränderungen dieser Vorgänge zu verstehen, die psychotisches Erleben wie Halluzinationen und Wahn zur Folge haben. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass wir nicht weiterkommen, wenn wir einfach die Aktivität einer bestimmten Hirnregion oder eines Transmitters bestimmen und mit psychischen Symptomen korrelieren. Die Zusammenhänge sind viel komplexer. Um dieser Komplexität gerecht zu werden, nutzen wir mathematische Modelle, die das Zusammenwirken einer Vielzahl von Faktoren und Messgrössen beschreiben können. Die Hoffnung ist, dass diese Art der Modellierung Parameter liefert, eine individuelle und präzise Vorhersage ermöglichen, z.B. darüber, ob eine bestimmte Therapie bei einer Patientin oder einem Patienten wirksam ist oder nicht.

Sie haben von einer der grössten Universitätkliniken Europas, der Berliner Charité, an die UPK Basel gewechselt. Was bietet Ihnen Basel, was Berlin nicht hat?
Ich freue mich sehr auf die Arbeit in Basel. Die UPK Basel bieten beste Voraussetzungen für exzellente translational-psychiatrische Forschung auf höchstem Niveau. Dazu gehört zum einen eine grosse, vielseitige und nach den neuesten Standards der modernen Psychiatrie arbeitende Klinik. Zum anderen braucht es dazu ein exzellentes Forschungsumfeld mit zahlreichen Anknüpfungspunkten und Kooperationsmöglichkeiten. Und das alles ist an den UPK Basel vorhanden.

Haben Sie Pläne für Neuerungen an den UPK Basel?
Ich übernehme einen Bereich, der in Basel eine langjährige Tradition hat und mit seinem Schwerpunkt auf psychotische Störungen sehr gut entwickelt ist. Ich plane, diesen noch stärker transdiagnostisch auszurichten, insbesondere in Richtung affektiver Störungen und Suchterkrankungen. Dafür wird eine enge Zusammenarbeit mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie wichtig sein. Was mir dabei besonders am Herzen liegt, ist eine enge, kooperative Vernetzung von Klinik und Forschung, nicht nur inhaltlich, sondern auch infrastrukturell.

Und eine persönliche Frage: Sie waren Jazzflötist, bevor Sie sich für die Forschung entschieden haben. Welche Rolle spielt Musik in Ihrem Leben aktuell?
Musik spielt immer noch eine sehr wichtige Rolle in meinem Leben. Ich hatte das Glück, in der einen oder anderen Form immer musikalisch aktiv bleiben zu können. Letztes Jahr war ich zum Beispiel mit der grossartigen Band „Quadro Nuevo“ auf einem Segelschiff im Mittelmeer unterwegs, woraus das Album „Odyssee – A Journey into the Light“ entstand. Nun freue ich mich darauf, die Basler Jazzszene zu entdecken!

Zur Person
Philipp Sterzer (52) war seit 2011 Professor für Psychiatrie mit Schwerpunkt Computational Neuroscience an der Charité in Berlin. Seit 2019 war er ausserdem geschäftsführender Oberarzt und Leiter des Bereichs Akutpsychiatrie an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité und ab 2020 Stellvertreter des ärztlichen Direktors. Philipp Sterzer war als Forscher unter anderem am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München und am Wellcome Trust Center for Neuroimaging in London tätig. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der funktionellen Hirnbildgebung, der computergestützten Modellierung bei Psychosen und in der datengeleiteten Klassifikation psychischer Störungen.

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